Martin Gschlacht

STIMMEN DER AKADEMIE: FESTSCHRIFT ZUM 10. JUBILÄUM

„Ein Haus für alle Filmschaffenden“

Martin Gschlacht spricht mit Oliver Stangl über die Akademie als Diskussionsplattform, die Lichtgestaltung bei Preisverleihungen und die Wichtigkeit, junge Menschen für den österreichischen Kinofilm zu begeistern.

Herr Gschlacht, Sie waren vor einem Jahrzehnt bei der Gründung der Akademie des Österreichischen Films dabei. Wie sind sie konkret dazugestoßen?

Ein Gründungsmitglied – ich weiß gar nicht mehr wer – hat mich angerufen und mir von dieser Idee erzählt. Man suche aus allen Departments eine Handvoll Leute zusammen, ob ich denn mitmachen möchte. Den Gedanken einer Filmakademie kannte ich natürlich schon ein wenig vom Ausland und von der Europäischen Akademie, und ich sagte gleich: „Klar, da bin ich dabei.“ Ich bin sonst eher kein Vereinsmensch, ich engagiere mich zwar gerne im AAC (Austrian Association of Cinematographers, Anm.), aber nicht mehr in Produzentenverbänden, weil es mir dort in gewisser Weise zu politisch zugeht. Bei der Akademie war der Grundgedanke, dass sich hier wirklich alle unter einem Dach für eine Sache zusammenfinden. Und dass sich Filmschaffende departmentübergreifend zusammentun, fand ich wichtig.

Was bedeutet die Akademie für Sie persönlich?

Die Grundidee ist, dass es eine Plattform für den österreichischen Kinofilm gab. Bis dahin gab es hauptsächlich fokussierte Interessensvertretungen seitens der Produzenten- und Regieverbände. Ich glaube, die Idee, die verschiedenen Gewerke zusammenzuführen, ist der schöne Gedanke der Akademie. Und natürlich die Verleihung des Österreichischen Filmpreises. Dass so etwas einfach mal professionell angegriffen wurde und jetzt zehn Jahre sehr erfolgreich ist, war und ist wichtig. Insofern stimmt es schon, dass man sagt, man darf sich auch einmal selber auf die Schulter klopfen. Damit meine ich uns Filmschaffende und nicht mich als einzelnen Kameramann. Es war wichtig, den Filmpreis ins Leben zu rufen, zusätzlich zu den bereits bestehenden bei der Diagonale. Mir gefällt, dass der Geschmack breiter gefächert ist als der einer kleinen Jury, dass sich hier auch eine gewisse Vielfalt bei der Wahl der Preise zeigt. Das System ist bewährt, und es war höchste Zeit, dass wir das in Österreich auf die Beine stellen.

Ende Jänner 2020 feiert der Österreichische Filmpreis sein 10. Jubiläum – kann man von einer Erfolgsgeschichte oder einer Selbstverständlichkeit sprechen?

Ich glaube, es ist beides. Die Selbstverständlichkeit ist es, weil es mittlerweile sehr professionell aufgestellt ist und mit viel Kraft, Engagement und Professionalität auf einen Weg gebracht wurde, der funktioniert. Ich glaube, mittlerweile sogar noch besser, weil man hinsichtlich gewisser Diskussionen im letzten Jahr (zur Frage der politischen Überparteilichkeit der Akademie, Anm.) auch gestärkt ist – nämlich als Plattform, die solche Diskussionen auch führen kann. Diese Diskussionen waren ja im Grunde keine inhaltlichen, sondern eher kommunikationstechnische. Man hat sich all dies erarbeitet, denn von nichts kommt nichts. Die Leute, die da seit zehn Jahren dabei sind, leisten wirklich tolle Arbeit.

Sie selbst haben bei der zweiten Preisverleihung in den Wiener Rosenhügelstudios (2012) das Licht besorgt. Was bringt die Gestaltung eines solchen Abends mit sich?

Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Ich war nicht nominiert, aber ATMEN war der starke Film in diesem Jahr, was mich als Kameramann natürlich gefreut hat. Es war sehr schön in dieser Halle, von der absehbar war, dass es sie nicht mehr lange geben wird, etwas zu gestalten. Diese große Halle mit so gut wie keinem Budget in eine große Festhalle zu verwandeln. Katharina Wöppermann und ich haben diese Ideen damals gemeinsam entwickelt und verwirklicht. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mich das in einer Bühnensituation nicht so reizen würde, weil ich weniger ein Studiomensch sondern mehr ein Set-Mensch bin.

Man hat damals gut gesehen – und hört die Leute heute noch davon schwärmen – welche unglaubliche Atmosphäre gut gesetztes Licht kreieren kann.

Das freut mich, vor allem, weil es ja um ganz wenig Geld passieren musste. Ich erinnere mich, dass ich damals mit ein paar Helfern hoch oben auf der Galerie unterwegs war und selber Dutzende alte Scheinwerfer aufgestellt hab. Kilometer wurden verkabelt, damit alles in einem Dimmer zusammenläuft. Mit einfachsten Mitteln und einem kleinen Mischpult wurden Lichtstimmungen gewechselt. Es war eine schöne, manuelle Arbeit. Das macht mir auch heute noch sehr viel Spaß: Ich lege beim Drehen gerne selbst Hand an, weil ich das schon seit meiner Ausbildung so gemacht habe. Am Rosenhügel haben mein Oberbeleuchter Werner Stibitz und ich ein kleines Programm für das Licht geschrieben – wir waren bei jedem Lichtwechsel ganz aufgeregt, ob es eh funktioniert. Ich würde es sofort wieder machen. Damals ist der Filmpreis ja noch quasi heimatlos von einem Ort zum anderen gewandert, damals stand alles unter dem Vorzeichen des Improvisierens. Das ist in meinem Berufsleben als Kameramann ja auch Alltag.

Was ist Ihnen in Sachen Preisverleihungen noch in Erinnerung?

Ich habe ungefähr die Hälfte miterlebt, weil ich beruflich nicht immer Zeit hatte. Es war jede, ohne Ausnahme, speziell und persönlich. Auch von den Inhalten her. Ein großer Sprung war die Videozuspielung, die dem ganzen noch einmal eine neue Dimension verliehen hat. Mein nächster großer Wunsch wäre, dass wir es noch intensiver ins Fernsehen schaffen. Denn wenn es Amadeus, Nestroy und Romy schaffen, warum soll es der Film nicht schaffen?

Das nimmt zum Teil die Frage vorweg, was die Akademie des Österreichischen Films und der Österreichische Filmpreis bewirkt haben? Und was vielleicht nicht? Wo muss man noch ansetzen, was fehlt?

Ich glaube, ganz wichtig ist – aber darum bemüht sich die Akademie auch – der Brückenschlag zur Jugend. Die frühe Einführung des Preises für den Besten Kurzfilm war hier zum Beispiel wichtig. Da war ich damals auch selbst sehr dahinter, bin eine Zeit lang viel in den Kurzfilmgremien gesessen. Das ist wichtig hinsichtlich der jungen Filmschaffenden. Andererseits ist auch das junge Filmpublikum wichtig, was ja auch über den EFA Young Audience Award (ein Gemeinschaftsprojekt der Europäischen Filmakademie mit europäischen Nationalakademien, Anm.) passiert. Ich finde jede Form der Öffentlichkeitsarbeit, die speziell auch junge Leute adressiert, sehr wichtig. Vielleicht fallen uns noch Kooperationen ein, wo man den Film auch verstärkt in die Schulen reinkriegt. Das ist tatsächlich ein Manko: Meine Kinder besuchen an die zehn Mal im Jahr mit der Schule das Theater, aber ins Kino gehen sie hauptsächlich, um fremdsprachige Filme im Fremdsprachenunterricht zu sehen. Das wäre ein weiterer Ansatzpunkt.

Wie hat sich der österreichische Film, die österreichische Filmszene in diesen zehn Jahren verändert?

Aus meiner persönlichen Wahrnehmung nicht nur zum Guten. Ich spüre, dass die Verteilungskämpfe noch schlimmer geworden sind und sich weiter zuspitzen. Ich habe jahrelang ruhigen Gewissens gesagt, dass ich als Kameramann nicht ins Ausland gehen will, dass ich in Österreich inhaltlich und kreativ eine großartige Heimat habe. Das kann ich so leider nicht mehr sagen. Ich bin mittlerweile davon abhängig, auch im Ausland zu arbeiten. Einerseits findet eine Art Generationenwechsel statt, aber das ist ganz normal und dagegen ist nichts zu sagen. Andererseits könnte ich nicht behaupten, dass die Qualität des österreichischen Films in den letzten zehn Jahren besser wurde. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Hier besteht Handlungsbedarf, der schlaue Köpfe und politischen Rückhalt und Konsens erfordert. Im Moment scheint es, dass Innovatives und auch budgetär vernünftig aufgestellte Produktionen zu sehr den Streamingdiensten überlassen werden.

Die Arbeitsbedingungen werden also spürbar härter?

Die Arbeitsbedingungen werden generell schlechter, weil es auch immer engere Budgets gibt, dabei will man aber trotzdem Qualität haben. Es wird härter. Man hat das Gefühl, dass man mit immer weniger immer mehr und immer kurzfristiger herstellen muss. Das ist zwar eher eine Problematik in der Fernsehwelt als in der Kinowelt, aber letztlich sind das kommunizierende Gefäße. Das ist jetzt aber nicht das ureigene Aufgabengebiet der Akademie, dafür sind andere Interessensverbände zuständig.

Ich glaube schon, dass das Arbeiten vor zehn Jahren spaßiger war. Man hatte mehr Freiräume. Man darf nicht vergessen, dass der österreichische Kinofilm in erster Linie aus Kulturbudgets gespeist ist. Diese merkwürdigen Zwangsauflagen – Erfolg, Quote, Besucherzahlen – drückt auch auf die Auswahl der Projekte. Ich glaube, es ist schwieriger geworden, künstlerisch mutige Filme zu drehen.

Auch technologisch hat sich in zehn Jahren viel verändert.

Technologisch gab es natürlich viele Veränderungen, klar. Das Kino als Abspielort hat es sehr schwer. Dem muss man auch etwas Rechnung tragen. Besucherzahlen sollten nicht mehr der einzige Maßstab für den Erfolg eines Films sein. Ich merke es bei meinen Kindern, die streamen nur noch. Früher sind wir oft ins Kino gegangen, das hat sich mittlerweile nach Hause verlegt. Das schließt an vorhin an, ich glaube, diese Altersgruppe wird nicht wirklich erreicht. Zuhause ist der Film aber auch wahrnehmbar über Streamingplattformen. Der österreichische Kinofilm ist immerhin digital sehr gut abrufbar. Das war vor fünf Jahren noch nicht der Fall. Wobei ich dazu keine Zahlen kenne.

Apropos Besucherzahlen: 2020 wird beim Österreichischen Kinofilm die neue Kategorie Publikumsstärkster Österreichischer Kinofilm eingeführt.

Das ist toll. Vielleicht nimmt das dem ewigen Zwist zwischen Kunst und Kommerz ein wenig die Luft raus. Das ist ja der Gedanke der Akademie. Dass man alle Bereiche des Österreichischen Kinos abbildet und gemeinsam wertschätzt!

Sie haben den Österreichischen Filmpreis bislang viermal in der Kategorie Beste Kamera erhalten. Was bedeuten Ihnen Preise persönlich? Und was können diese für die heimischen Filmschaffenden bzw. Branchen bedeuten?

Es ist eine schöne Auszeichnung. Einen Preis zu erhalten ist eine wichtige Anerkennung und bedeutet sicher jedem Preisträger viel. Zu Recht! Keinen Preis zu gewinnen ist aber auch keine Niederlage. Das, was wir leisten, wird dadurch auch nicht besser oder schlechter. Manchmal trifft es den Nerv der Leute und manchmal nicht. Ich hab schon so viele tolle Arbeiten von Kollegen und Kolleginnen gesehen, die nicht prämiert wurden oder nicht einmal nominiert waren. So ist das bei allen Preisen, wo die Leistung nicht physikalisch messbar ist, sondern auf dem individuellen Geschmack einer Jury beruhen. Das Interessante bei Akademie-Preisen ist natürlich die breite Fächerung und große Anzahl der „Jurymitglieder“.

Ihren „Marktwert“ bzw. Ihre Begehrtheit bei Filmprojekten haben die Preise nicht erhöht?

Nein, ich denke nicht. Ich meine, dass wir uns in der kleinen Branche in Österreich alle so gut kennen, dass wir aufgrund unserer bisherigen Arbeiten und unserer Arbeitsweise für Projekte angefragt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Regisseurinnen oder Regisseure bzw. Produzentinnen und Produzenten aufgrund von Filmpreisen an Mitarbeiter herantreten. Vielleicht führt es eher zu Berührungsängsten, im Sinn von „Ah, der hat eh nie Zeit. Den brauchen wir gar nicht anrufen.“ Ich meine, es gibt Projekte und Konstellationen, bei denen ich gut passe und andere, bei denen jemand anders besser passen wird.

Aber eigentlich ist das eine Frage, die man an die Regie stellen müsste. „Interessiert dich, ob der Kameramann einen Filmpreis gewonnen hat?“ Da würde mich die Antwort auch interessieren. Ich denke, dass es für den Produzenten interessanter ist bei der Finanzierung. Speziell bei ausländischen Projekten sehe ich, dass man in der Finanzierung den Erfolg der Mitarbeiter als Bonus in den Einreichungen hervorhebt.

Was den persönlichen Marktwert angeht, muss man da in Österreich nicht viel herumrechnen, weil wir uns da in einem relativ reglementierten Segment bewegen.

Wie wäre es noch mit einem Schlussstatement Ihrer Wahl?

Toi, toi, toi für die nächsten zehn Jahre. Weiter so! Wir hatten jetzt Umwälzungen im Vorstand, und ich habe auch kurz überlegt, ob ich noch weitermachen soll. Aber ich habe gemerkt, dass es so viele Veränderungen gibt, dass es vielleicht gut ist, wenn noch Leute für die Konstanz in dieser Übergangsphase bleiben. Es ist wichtig, sich der Sache weiter so anzunehmen, wie bisher. Es ist wichtig, dass man die Branche geeint hält. Bei allen unterschiedlichen Meinungen in der Akademie. Die letztlich ein Haus für uns Filmschaffende alle gemeinsam ist. Das lässt mich sehr gerne mitarbeiten und auch in schwierigen Zeiten weitermachen.

Kameramann Martin Gschlacht ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der Akademie des Österreichischen Films.