Markus Freistätter
STIMMEN DER AKADEMIE: FESTSCHRIFT ZUM 10. JUBILÄUM
„Ein Sammelbecken von Menschen, die dasselbe wollen“
Schauspieler Markus Freistätter spricht mit Oliver Stangl über die Nervosität bei Preisverleihungen, die Bedeutung von Nachwuchsförderung und die Wichtigkeit, sein Wahlrecht wahrzunehmen.
Herr Freistätter, Sie wurden vor rund eineinhalb Jahren als jüngstes Mitglied der Akademie des Österreichischen Films begrüßt …
Das stimmt. Ich glaube, ich war damals sowohl das physisch jüngste Mitglied als auch das tatsächlich neueste. (Lacht.)
Wie und warum sind Sie Mitglied geworden?
Ich durfte in den zwei Jahren davor bereits in einigen Kinoproduktionen mitwirken. Es gibt ja die Regel, dass man entweder in zwei entsprechenden Filmen eine wesentliche Rolle gespielt haben oder nominiert gewesen sein muss. Ab dem Zeitpunkt war es mir sehr wichtig, dass ich ein ordentliches Mitglied bin. Nicht nur, weil ich zur Preisverleihung möchte, sondern weil ich mich zur Akademie bekenne. Es ist ein wichtiger Verein, in dem die gesamte Branche zusammenkommt, man sich gegenseitig zuhört und unterstützt. Themen werden behandelt, es besteht die Möglichkeit in den Versammlungen Anliegen einzubringen. Das finde ich sehr wichtig. Großartig war auch, dass Geschäftsführerin Marlene Ropac drei Tage, nachdem ich mich angemeldet habe, gefragt hat, ob ich beim EFA Young Audience Award mitmachen möchte. Das ist ein tolles Projekt, bei dem Jugendlichen das Thema Film nähergebracht wird. Da durfte ich auch einen Workshop machen, das war eine tolle Erfahrung.
Was haben Sie den Jugendlichen dort vermittelt?
Wir haben Schaupiel-Impros gemacht, das waren sozusagen zwei Stunden leichter Einstieg in das Gebiet Schauspiel. Außerdem habe ich versucht zu vermitteln, wie Film hergestellt wird, damit sie ein Gefühl dafür bekommen, wieviel Arbeit in zwei Minuten Film stecken. An diesem Tag haben die Jugendlichen auch über den Besten Jugendfilm Europas abgestimmt. Es würde mich freuen, wenn die Menschen durch solche Initiativen auch wieder vermehrt ins Kino gehen, denn die Zahlen sind gerade nicht so gut. Ich weiß zwar nicht, ob die Besucherzahlen jährlich weniger werden, aber sie sind aktuell definitiv nicht berauschend. Den Fernseher schalten viele schnell einmal am Abend ein, aber ins Kino gehen dennoch sehr wenige. Das ist schade, denn es ist immer noch ein Kunsterlebnis, in einen Raum zu gehen, der dunkel und geschlossen ist und sich dort zwei Stunden lang einem Film hinzugeben und die Welt draußen zu vergessen.
Glauben Sie, dass die Akademie hier etwas beitragen kann?
Ich glaube, das tut sie schon in ihren Bereichen, die für sie möglich sind. Auch über Kanäle wie Instagram und Facebook, so banal das auch klingen mag. Oder eben mit Veranstaltungen und Workshops für Kids.
Der Nachwuchs ist also der Schlüssel?
Absolut, der Nachwuchs ist definitiv wichtig und die klare Zukunft.
Sie waren bereits einmal in der Kategorie Bester männlicher Hauptdarsteller nominiert. Ein schönes Gefühl?
Ja, genau vor einem Jahr war ich nominiert – und auch sehr nervös. Nominiert wird man von Kolleginnen und Kollegen in der eigenen Kategorie. Wenn einem diese Kolleginnen und Kollegen eine Stimme geben und sagen: „Das gefällt mir“, dann ist das das größte Kompliment. Laurence Rupp hat etwas sehr Schönes gesagt, es war ungefähr so: „Egal, was jetzt passiert, es ist schon geil, dass wir nominiert sind. Was danach noch kommt, ist eine Draufgabe.“ Ich finde es auch viel besser, von Kolleginnen und Kollegen nominiert zu werden als von einer Fachjury. Denn die Kolleginnen und Kollegen aus demselben Feld wissen genau, worum es geht.
Wie haben Sie die Zeremonie empfunden?
Ich muss ehrlich sagen, dass ich wenig mitbekommen haben. Aus dem Grund, weil meine Kategorie relativ spät am Abend an der Reihe war. Alles andere davor war wie in einem Kanal, es ging ein wenig durch. Wie gesagt, ich war sehr nervös. (Lacht.) Deswegen freue ich mich schon sehr auf die nächste Preisverleihung, denn dann komme ich einfach nur als Mitglied.
Der Österreichische Filmpreis feiert 2020 das zehnte Jubiläum. Eine Selbstverständlichkeit oder eine Leistung?
Gute Frage. Ich glaube nicht, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, denn selbstverständlich ist gar nichts, wenn man nichts dafür tut. Nichts passiert einfach so. Es muss einen Grund haben, warum die Akademie noch besteht und jährlich wächst. Film ist eine wunderbare Kunstform und durch die engagierten Menschen, die in der Akademie arbeiten, wird diese Kunstform gefeiert. Durch dieses Engagement ist es auch kein Zufall, dass es die Akademie noch gibt – und wächst. Kein Zufall also, sondern harte Arbeit.
Was macht die Akademie auf einer persönlichen Ebene für Sie aus?
Sie ist ein Sammelbecken von Menschen, die dasselbe wollen. Die dieselbe Arbeit und dieselbe Leidenschaft haben. Wenn man auf eine Veranstaltung geht, weiß man, dass wir alle dasselbe machen und dasselbe wollen. Das klingt vielleicht ein wenig pathetisch – mag wohl sein –, aber es ist wichtig. Ein Zusammenhalt.
Was könnte die Akademie noch verbessern?
Ohne es vielleicht gut beurteilen zu können: Es gibt Preise, die sehr breit in der Öffentlichkeit stehen und wahrgenommen werden. Ich würde mir wünschen, dass die Akademie noch mehr in die breite Wahrnehmung vordringt. Durch Veranstaltungen wie den Tag der Akademie, bei dem auch ökologische Punkte diskutiert werden, werden auch kritische und aktuelle Themen angesprochen, das finde ich gut.
Sind Sie ein fleißiger Wähler, wenn es gilt, über die Preisträgerinnen und Preisträger abzustimmen?
Ja. Ich glaube, ich habe in meinem politischen Leben, also seit ich wählen darf, noch nie eine Wahl versäumt. Ich finde es genauso wichtig, im Rahmen der Akademie zu wählen, sich alle Filme anzusehen und dann über die „Jahrgangsbesten“ abzustimmen. Man bekommt einen Link, und wer es nicht schafft, sich das anzusehen, da gibt es keine Entschuldigung. Wenn von 500 Mitgliedern zum Beispiel nur 100 wählen würden, dann wäre das nicht wirklich aussagekräftig. Es ist nicht schwer und tut auch nicht weh.
Wie zeitaufwendig ist die Filmsichtung bei der Wahl?
Ich mache ein Happening draus. Eine sehr gute Freundin von mir, die Kostümbildnerin Theresa Ebner-Lazek, setzt sich mit mir zusammen und wir schauen uns alle Filme, die wir im Kino nicht gesehen haben, gemeinsam an. Der Wahlprozess an sich ist sehr klar und einfach. Wenn man in Zukunft auch online abstimmen kann, wäre es noch einfacher. Und es würde Papier sparen.
Sind Sie besonders treffsicher, was dann die tatsächlichen Preisträger betrifft?
Naja. Ich habe beim letzten Mal mich selbst gewählt und nicht gewonnen, da hatte ich also keine gute Trefferquote. (Lacht.) Aber ansonsten hatte ich schon in einigen Kategorien den richtigen Riecher. Schauen wir mal, wie es diesmal wird.
Glauben Sie, dass die Auszeichnung mit dem Filmpreis ihren „Marktwert“ als Schauspieler erhöhen würde? Hat das die Nominierung vielleicht schon getan?
Hm, schwierig. Die Frage könnte auch lauten: Braucht man überhaupt Preise? Sind sie hilfreich? Ein Preis gibt einer Sache einen Stempel, macht etwas Besonderes daraus. Ich finde einen Preis an sich schön, um die Branche zu feiern. Das ist auch wichtig. Ob ich den Preis für meinen Marktwert bräuchte … Ich hoffe es nicht. Ich kann es nicht beurteilen, aber ich hoffe es nicht. Die Nominierung allein hat aber schon viel gemacht und viel verändert. Man ist öfter in der breiten Öffentlichkeit zu sehen und es hilft vielleicht auch, dass sich mehr Menschen die Filme bzw. die Preisverleihung ansehen. Übrigens leisten auch viele Leute, die keinen Preis erhalten haben, genauso tolle Arbeit wie jene, die einen Preis erhalten haben.
Sehen Sie sich andere Preisverleihungen auch an? Wie würden Sie andere Preisverleihungen mit dem Österreichischen Filmpreis vergleichen?
Ja, weil ich neugierig bin. Mich interessiert es, was sich tut. Welche Filme gibt es aktuell, die ich vielleicht nicht gesehen und versäumt habe und warum gerade die so stark im Mittelpunkt bei der jeweiligen Preisverleihung stehen. Ich finde es schön, dass beim Österreichischen Filmpreis der Film im Mittelpunkt steht. Die Arbeit an sich. Bei anderen Preisverleihungen gibt es mehr Show. Der Österreichische Filmpreis ist stilvoll, aber nicht übertrieben. Man fühlt sich wohl, wenn man dort ist. Ein schöner Rahmen, der auch gemütlich ist. Was, glaube ich, auch unser Land widerspiegelt.