„Wie ein Fels in der Brandung“

STIMMEN AUS DEM VORSTAND

Mercedes Echerer, Thomas Kürzl und Claudia Wohlgenannt im Gespräch mit Oliver Stangl

Vor rund einem Jahr wurde Schauspielerin Mercedes Echerer zur Obfrau der Akademie des Österreichischen Films gewählt. Gemeinsam mit den neu gewählten Vorstandsmitgliedern Thomas Kürzl (Kameramann) und Claudia Wohlgenannt (Produzentin) bildet sie seitdem den geschäftsführenden Vorstand. Im virenfreien Zoom-Interview mit Oliver Stangl sprechen die drei über die Herausforderungen dieses so schwierigen Covid-Jahres, machen sich Gedanken über das Wesen der Akademie und blicken voller Pläne in die Zukunft.

Mercedes Echerer: Als Doyenne in dieser Runde gestatte ich mir zu beginnen. Mit dem Elan eines neu neugewählten Vorstands versuchen wir, die unterschiedlichen Aspekte und Bedürfnisse unserer Mitglieder noch besser zu begreifen, vor allem die Fragen, welchen Stellenwert die Akademie hat und was sie für ihre Mitglieder verbessern kann. Der Vorstand war und ist sehr heterogen, doch wird immer nach dem gemeinsamen Konsens gesucht. Als Obfrau möchte ich hier ein großes „Danke“ sagen.

Thomas Kürzl: Oliver hatte noch keine Gelegenheit, eine Frage zu stellen, daher gebe ich ihm jetzt die Chance. (Lacht.)

Oliver Stangl: Mercedes hat schon einiges angesprochen, aber eigentlich wollte ich so beginnen: Ihr übt eure Vorstandsfunktionen jetzt seit einem Jahr aus, worauf man eigentlich mit einem Gläschen Sekt oder Mineralwasser hätte anstoßen können. Stattdessen sitzen wir pandemiebedingt hinter unseren Webcams oder Smartphones. Habt Ihr euch das erste Jahr so vorgestellt?

Claudia Wohlgenannt: Nein, gar nicht. Es ist in allen möglichen Bereichen ein schwieriges Jahr. Beruflich und auch im Akademie-Vorstand. Wir sind voller Enthusiasmus angetreten, haben Arbeitsgruppen gegründet, Ideen gesponnen für Kooperationen, überlegt, wie man die Mitglieder stärker begeistern und eingliedern kann, wie man serviceorientierter werden und stärker mit dem ORF kooperieren kann. Am Ende sind wir sehr stark bei vertraglichen und administrativen Dingen hängengeblieben. Dazu kommt, dass Geschäftsführerin Marlene Ropac in Pension geht und wir einen Übergang einleiten mussten.

Wir wünschen uns nichts sehnlicher, als dass man endlich die covidbedingten finanziellen Themen in den Griff bekommt, dass die Neuübernahme der Geschäftsführung gut klappt, und wir uns stärker auf inhaltliche Dinge konzentrieren können.

Thomas Kürzl: Das sehe ich auch so. Wir sind mit viel Enthusiasmus angetreten. Der alte Vorstand hat das Schiff Akademie über zehn Jahre seetüchtig gemacht, den Österreichischen Filmpreis zu einer Kulturinstitution gemacht, was ich toll und gut finde. In unserem ersten Jahr als neuer Vorstand ging es erstmal darum, den rechtlichen Ist-Stand dieses Konstrukts Akademie festzuhalten. Das war schon fast ein Fulltime-Job. Nun ist uns das gelungen, und ich freue mich schon sehr darauf, mich auf die kreativen Dinge konzentrieren zu können. Das Kind Akademie hat Laufen gelernt, jetzt beginnt das Erwachsenenleben.

Oliver Stangl: Möchtet ihr gleich einen Ausblick auf zukünftige Projekte geben oder ist es noch zu früh dafür?

Mercedes Echerer: Wir haben schon ein paar heiße Eisen im Feuer, aber die sind noch nicht spruchreif, dafür habe ich eine kleine Anekdote ...

Als ich Tom gefragt habe, ob er vor der letzten Preisverleihung Anfang 2020 den Abend der Nominierten gemeinsam mit mir moderieren würde, sagte er prompt zu. Von Anfang an hatten wir ein tolles Teamgefühl, aber dann passierte mir, dem „alten Hasen“, ein kleines Missgeschick und Tom hat die Situation in seiner charmanten Art gerettet. Teamgeist wie am Set – danke! Bald danach brach der Lockdown über uns alle herein. Tom, Claudia und ich konferierten beinahe täglich online , und wenn wir drei Tage nichts voneinander hörten oder lasen, dann gab einer von uns eine „Vermisstenmeldung“ auf ...

Mercedes Echerer

Mercedes Echerer (c) Robert Newald

Kürzl

Thomas Kürzl

Wohlgenannt

Claudia Wohlgenannt (c) AOEF

Oliver Stangl: Du hast schon erwähnt, dass der Lockdown hereingebrochen ist. Ein schwerer Schlag für die Filmbranche. Kulturinstitutionen, darunter die Kinos, wurden zuerst geschlossen, obwohl sich diese peinlich genau an Hygienemaßnahmen hielten. Was ist davon zu halten, dass Kultur als erstes heruntergefahren wird?

Mercedes Echerer: Ich fand’s großartig, wie rasch und effizient sich unsere Branche eingebracht und gemeinsam mit Virolog/innen, Ärzt/innen und weiteren Expert/innen Modelle erarbeitet hat, damit wir drehen dürfen. Und die Politk hat – nicht gleich, aber letztendlich doch – zugehört. Um den großen Rattenschwanz an Konsequenzen kämpfen wir aber nach wie vor, ob das Kinos, Verleiher oder Vertriebe sind. Es macht Sinn, den Branchenexpert/innen zuzuhören ...

Claudia Wohlgenannt: Das wirft mir schön den Ball zu, denn wir haben damals mit Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek im Namen der Akademie ein Gespräch geführt, noch kurz vor ihrem Abgang. Wir haben ihr als Akademie genau diese branchenübergreifende Expertise angeboten. Sie war sehr überrascht und wusste leider nicht genau, was sie mit dem Angebot machen soll. Das zeigt die Problematik, denn es ist ein Teufelskreis. Politiker und Politikerinnen versuchen schnell zu handeln, suchen aber zu selten Rücksprache. Im ersten Lockdown gab es sehr viele Aktionen von Seiten der Kulturbranche. Derzeit ist es ruhiger, aber vielleicht ist das derzeit die Schockstarre und es kommt noch was.

Thomas Kürzl: Für mich sind die Schließungen aus einem gewissen Blickwinkel heraus verständlich. Der Film hat es über den Sommer mit dem von der Branche erarbeiteten Hygienekonzept sehr gut hingebracht. Wobei ich schon finde, dass wir im Vergleich zu anderen Branchen doch ein wenig überharte Regelungen haben. Es ist fragwürdig, warum die Aufrechterhaltung von Kulturbetrieben nicht erlaubt ist.

Ich vermisse von uns Künstlern die Kreativität, mit dieser Situation umzugehen. Ein wunderbares Beispiel war für mich Maria Bill, die im ersten Lockdown die Peep Show in der Burggasse gemietet und dort Auftritte hingelegt hat – weil die Hygienemaßnahmen durch die Einzelkabinen gegeben waren. Das war eine schöne, kreative Form, der Situation zu begegnen.

Ich wollte nie auch nur einen einzigen Tag in den Schuhen jener Politiker stecken, die Entscheidungen treffen müssen, die für so viele Menschen enorme Tragweite haben.

Mercedes Echerer: Wir agieren in einem sozialpartnerschaftlichen System, was durchaus Vorteile hat. Neben der WK, der AK und der Gewerkschaft haben wir Interessensgemeinschaften und Berufsverbände. Faktum ist aber, dass sich in diesen Institutionen die Freischaffenden, als die Mehrheit in jeder Kunstgattung, oftmals nicht widergespiegelt sehen. Das ist ein Problem unserer Branche, das sich in Krisenzeiten besonders stark zeigt. Viele Kolleg/innen suchen individuell nach Solidarität, nicht mehr ausschließlich über Kammern, IGs oder Verbände. Hier gilt es anzusetzen.

Thomas Kürzl: Es gibt ja das Wort „Kulturlandschaft“: Das Bindende ist die Kultur, das Trennende die Landschaft. Unsere Landschaft ist so divers, viele sind Einzelkämpfer. Es ist schwierig, alle an einen Tisch zu bringen und konsensual zu arbeiten. So sehr wir uns in vielen Dingen einig sind, so individuell sind die Problemstellungen vieler Kulturtreibender. Das kam im Lockdown stark raus.

Claudia Wohlgenannt: Ich glaube, dass der Zusammenhalt und die Suche danach da ist. Für mich und viele andere ist die Akademie dafür ein Bild. Die Akademie ist ein Gefäß, in dem Zusammenhalt möglich ist bzw. sein sollte. Daher ist es für den Vorstand so wichtig, diesen Zusammenhalt zu stärken.

Thomas Kürzl: Sehr schön formuliert. Das macht auch den Vorstand aus, dass wir nicht alles einseitig betrachten. Danke auch für die Überleitung: Wir können zwar noch keine konkreten Zukunftspläne nennen, aber für die nächsten Jahre haben wir uns vorgenommen, die Sichtbarkeit hervorzuheben und zwar nach innen und nach außen. Wir wollen einerseits mehr mit den Mitgliedern kommunizieren und sie einbinden, das Wir-Gefühl gerade in Corona-Zeiten stärken. Andererseits wollen wir die Sichtbarkeit nach außen verstärken, uns in der Kulturlandschaft weiter behaupten. Es gibt viele Ideen dazu, an denen wir arbeiten.

Claudia Wohlgenannt: Wir machen gerade viel im Bereich Digitalisierung: Einerseits gibt es eine Kooperation mit der Kino-VoD-Plattform, die unser Wahlverfahren digitalisieren wird, aber auch Projekte wie den EFA Young Audience Award bewerben soll. Wir wollen dadurch insgesamt mehr interaktive Angebote machen. Dieser Schwung soll uns noch ein Stück weiterbringen und eine attraktive Möglichkeit für Mitglieder bieten, sich einzubringen.

Oliver Stangl: Die Preisverleihung wird diesmal nicht im Winter, sondern voraussichtlich im Sommer stattfinden. Wie seht ihr der Gala 2021 entgegen? Mit Unsicherheit oder Vorfreude?

Thomas Kürzl: Der Filmpreis 2021 wird stattfinden. Gerade in diesen Zeiten ist das sehr wichtig. Es gab im Vorstand ja Diskussionen, den Preis ein Jahr lang ausfallen zu lassen, aber ich habe mich immer stark für die Abhaltung eingesetzt. Wir sollten wie ein Fels in der Brandung sein, ein Zeichen, dass Kultur stattfindet. Wir werden eine Form finden, wie wir ihn durchführen können, egal, wie die Lage im Sommer sein wird. Wir können nämlich das einsetzen, wovon wir am meisten haben: Kreativität. Wir sind ein Verein der kreativsten Filmköpfe Österreichs. Wir werden das Problem lösen und eine tolle Gala auf die Beine stellen. Es gibt Herausforderungen, die covidbedingt sind oder im finanziellen Bereich liegen, aber aufgeben gibt es nicht. Wir haben noch immer alles geschafft.

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Oliver Stangl im Gespräch mit Mercedes Echerer, Thomas Kürzl und Claudia Wohlgenannt