Alexander Glehr

STIMMEN DER AKADEMIE: FESTSCHRIFT ZUM 10. JUBILÄUM

„Die Bedeutung des österreichischen Films nach außen tragen“

Alexander Glehr, Produzent und langjähriger Kassier der Akademie des Österreichischen Films, im Gespräch mit Oliver Stangl über die Funktion der Akademie, die Bedeutung des Filmpreises und die Wichtigkeit, das Wahlrecht wahrzunehmen.

Herr Glehr, erinnern Sie sich noch, wann und wie Sie zur Akademie des Österreichischen Films gestoßen sind?

Wenn ich mich richtig erinnere, hat mich damals Eva Spreitzhofer das erste Mal im Porgy & Bess beim Österreichischen Filmmusikpreis angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, in den Vorstand der Akademie zu kommen. Das war natürlich eine Riesenehre, insofern musste ich nicht lange überlegen. Von der ersten Sitzung an genoss ich diese Tätigkeit im Vorstand, der trotz einer großen Meinungsvielfalt immer sehr sachorientiert arbeitete. Es ist unglaublich schön und macht stolz, an der Entwicklung der Akademie mitgewirkt zu haben und mitzuerleben, wie aus einer guten Idee über wenige Jahre eine breite, öffentlichkeitswirksame und relevante, also nicht mehr wegzudenkende, Institution wurde.

Sie haben lange Jahre die ehrenamtliche Funktion des Kassiers übernommen. Mussten Sie oft den Spielverderber geben oder überwiegen die freudigen Momente?

Weder noch. Die Tätigkeit als Kassier ist ja nicht separiert von der Arbeit des gesamten Vorstands zu sehen, die Maßnahmen, die „betriebswirtschaftlich“ zu setzen waren, wurden immer im Konsens mit den anderen Vorstandsmitgliedern und der Geschäftsführung, Marlene Ropac und ihrem Team, getroffen – bei Kritik oder auch Lob für Akzente konnte, durfte und wollte ich das insofern nicht persönlich nehmen. Wenn wir uns über die Jahre aus einem negativen Eigenkapital rausbewegen konnten, dann ist das ausschließlich eine Leistung, die sich alle Handlungstragenden der Akademie gemeinschaftlich und die Geschäftsführung, sprich Marlene Ropac, im Speziellen zuschreiben können.

Finanzen und Filmkunst: ein nicht immer einfaches Verhältnis. Kann die Akademie im Zusammenspiel mit der Politik dazu beitragen, die Förderungen für heimische Filmprojekte zu erhöhen?

Die Akademie und im speziellen der Filmpreis ist eine Möglichkeit der Branche, die Bedeutung des österreichischen Films nach außen zutragen, einer breiten Öffentlichkeit bewusst zu machen. Je mehr Menschen sich dafür interessieren, wer welche Preise und warum bekommt, welche Filme als auszeichnungswert herausgehoben werden und was es im jährlichen Kinoprogramm so alles Heimisches zu entdecken gibt, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass die Filmbranche noch mehr an Bedeutung gewinnt. Größere Bedeutung kommt auch irgendwann bei der Politik an. Und die Politik wird sich bei höherer Bedeutung schwer tun, Rahmenbedingungen nicht zu verbessern.

Was ist die Akademie für Sie persönlich? Eine Institution, die die Filmkunst feiert, eine Gemeinschaft oder etwas gänzlich anderes?

Die Akademie ist wie gesagt für mich eine Stimme nach Außen, etwas Glamouröses, eine Gegendarstellung zu einer sich oft selbst kleinmachenden Kinofilmkultur und -wirtschaft. Um das sein zu können, muss sie ein Ort sein, wo sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dieser Branche auch treffen können und im Konsens diese Größe auch abbilden. Dies zu bewahren ist für mein Gefühl auf der Metaebene als höchstes Ziel der Vorstandstätigkeit definiert gewesen und wird auch in Zukunft die oberste Prämisse sein.

Wenn es daran geht, die Preisträgerinnen und Preisträger zu bestimmen: Sind Sie ein fleißiger Wähler?

Klarerweise ja. Partizipation, Teilnehmen ist von entscheidender Bedeutung nicht nur beim Filmpreis, sondern in allen Belangen des Lebens. Nicht-wählen heißt Nicht-teilnehmen, das gilt auch für den Filmpreis. Generell würde ich nicht verstehen, nicht zu wählen, wenn man dazu aufgerufen wird. Gewiss, es gibt lebenswichtigere Entscheidungen als jene, welcher Film aus einer guten Auswahl denn der Beste ist – aber auch hier gilt: Wenn ich nicht wähle, darf ich mich nicht über das Ergebnis aufregen.

Zehn Jahre Akademie des Österreichischen Films: eine Erfolgsgeschichte oder mittlerweile eine Selbstverständlichkeit?

Eine Erfolgsgeschichte in jedem Belang. Es wurde etwas erbaut und geformt, das uns noch viele weitere Jahrzehnte viel Freude bereiten wird.

Sind Ihnen besonders schöne oder spannende Momente im Zusammenhang mit Ihrer Mitgliedschaft bzw. mit den Preisverleihungen in Erinnerung?

Ich fand immer jene Momente am Spannendsten, wo Dinge in Bewegung waren. Das war oft mit Konflikten innerhalb der Akademie verbunden, weil man sich erst einigen muss, in welche Richtung man sich in Bewegung setzt. Sei das das Branchentreffen in Herrenstein gewesen, sei das auch die Diskussion gewesen, die der Filmpreis 2019 ausgelöst hat – auch wenn direkte Ergebnisse nicht gleich abzuleiten waren, so glaube ich ist es richtig und gut, wenn es Momente gibt, wo Dinge und Meinungen auf den Punkt gebracht werden. Das führt immer zu einer Sensibilisierung, die für den Gesamtprozess, und damit meine ich die Entwicklung der österreichischen Kinofilmbranche, wichtig waren und sind. Durch so einen Diskurs bin ich aufgefordert, meine eigenen Standpunkte und Vorstellungen zu hinterfragen – nur so komme ich auch persönlich weiter. Wertvoll war für mich die enge Zusammenarbeit mit den anderen Vorstandsmitgliedern; um einen hervorzuheben, vor allem auch mit Josef Aichholzer als Obmann. Wenn ich mit den Vorstandsmitgliedern, mit dem Team der Akademie und mit dem Obmann in einem Diskurs über ein gemeinsames Ziel war, dann habe ich vor allem auch gelernt.

Was haben der Österreichische Filmpreis bzw. die Akademie des Österreichischen Films bislang bewirkt? Und was vielleicht nicht? Wo könnte man nachbessern?

Die internationalen, medialen Entwicklungen beobachtend, wird sich früher oder später auch die Akademie fragen müssen, inwiefern der Filmpreis sich einzig und allein auf Kinofilme konzentrieren kann. Wir sind in einer Zeit, in der massive Innovation in filmkultureller Hinsicht stattfindet – und dies nicht ausschließlich im Kino, sondern zunehmend bei den sogenannten Streaminganbietern, die gewagte, künstlerisch hochwertige „Premienprodukte“ in ihr Portfolio aufnehmen, die sich mit der Qualität, die man einst nur dem Kinofilm zusprach, mehr als messen können. Ich bin überzeugt, dass es Kino immer geben wird. Kino wird aber immer weniger die elitäre Spitze der Verwertungskette sein, es reiht sich zunehmen ein in eine Vielfalt von Möglichkeiten, wie Filme genossen werden können. Dies öffnet auch die Möglichkeit, Kino noch mehr zum Erlebnis zu machen, darin liegt unter anderem die große Chance unserer Zeit. Um dies zu machen, müssen wir aber die Scheuklappen ablegen, dass es neben dem Kino nichts anderes mehr gebe. Der Filmpreis ist auf jeden Fall ein Werkzeug, um das Filmerlebnis für das breite Publikum greifbar zu machen. Wir werden uns einfach mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob nur ein Film, der die Kinoverwertungskette bedient, auszeichenswert ist. Wie auch immer die Antwort auf diese Frage ist, aber sie muss gestellt werden, damit die Entwicklung nicht über uns drüber fährt.

Wie hat sich in Ihrer Wahrnehmung die österreichische Filmszene im letzten Jahrzehnt verändert?

Wir sind mitten drinnen in einem absoluten Paradigmenwechsel, was die Rezeption von Filmen betrifft. Das ist eine Chance, erfordert in vielen Bereichen ein neues Denken. Es fordert auf, bisherige Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen und zu definieren, was Bestand haben sollte. Diese Entwicklung greift immens durch und führt zu einer Veränderung der Branche, die nicht allen Recht ist. Das ist nachvollziehbar; auf der anderen Seite wäre die Hoffnung falsch, dass der Spuk bald wieder vorbei sein könnte – wer die Player sind, die in 10 Jahren den Markt bestimmen, wissen wir noch nicht, da wird sich noch viel tun. Dass das Konsumverhalten aber nicht mehr so sein wird wie noch vor fünf Jahren, das können wir mit Sicherheit sagen. Wir haben die Chance, aktiv diesen Veränderungsprozess mitzugestalten. Wir sollten unsere Energien nicht ausschließlich darauf verwenden, Gewohnheiten und Abläufe, die uns Sicherheit gaben, bewahren zu versuchen.

Wie ist ihr Verhältnis zu Preisen?

Ich freu mich über jeden Preis, es ist immer eine Ehre, ausgezeichnet zu werden – gleichzeitig muss ich das gleich wieder relativieren, da gerade in den Preiskategorien, in denen ich normalerweise „antreten“ kann, eigentlich gar nicht meine konkrete Arbeit ausgezeichnet wird. Ich nehme Preise stellvertretend für die Gruppe von Filmschaffenden entgegen, die das preisgekrönte Werk mit mir gemeinsam geschaffen haben. Dass ich Filme machen kann, die preisgekrönt werden können, hat meist nicht mit meiner besonderen Arbeit am speziellen Projekt zutun, sondern mit der Strategie, welche Projekte ich als Produzent angehe und wie ich mich selbst „attraktiv“ genug mache, dass Kreative mit mir arbeiten, mit denen ich dann solche Werke erschaffen kann. Natürlich muss ich auch danach trachten, dass die Rahmenbedingungen beim einzelnen Projekt die bestmögliche Arbeit im Rahmen der Möglichkeiten erlauben, aber das ist meist nicht der Grund, warum man als Produzent einen Preis bekommt. Auch die Tatsache, dass ich zu einem Drehbuch, zu Mustern oder einer Schnittversion mehr oder weniger viele Kommentare abgebe, ist zumeist nicht wirklich „preisverdächtig“. Tatsächlich ist es für mich der höchste Grad der Auszeichnung, wenn Kreative, mit denen ich bereits gearbeitet habe, noch weiter mit mir arbeiten wollen. Dann weiß ich am ehesten, dass meine Arbeit nicht ganz falsch ist.