Tag der Akademie 2021
12. Oktober, METRO Kinokulturhaus, Wien
TAG 1 - Rückblick
Zeiten im Umbruch – Das österreichische Filmschaffen im Diversitäts-Check
Am 12. Oktober fand unter dem Motto „Zeiten im Umbruch. Österreichisches Filmschaffen im Diversitäts-Check“ der 1. Tag der Akademie 2021 im METRO Kinokulturhaus statt. Rund 90 interessierte Personen lauschten den Gesprächen oder brachten sich in die Diskussionen ein. Eine Videoaufzeichnung des Tages veröffentlicht die Akademie zeitnah.
Rollenbilder 1 – Heldinnen in Serie 2.0
Der erste Themenblock, „Heldinnen in Serie“, wurde von Akademie-Geschäftsführerin Katharina Albrecht-Stadler eröffnet. Diese betonte, dass die Themen Diversität und Fairness in ganz Europa aktuell seien und man diesbezüglich in ständigem Austausch mit internationalen Akademien sei. In Vertretung von Bundesministerin Margarete Schramböck stellte Sylvia Vana (BMDW – zuständig für FISA und Film in Austria) den Drehbuchwettbewerb „Heldinnen in Serie 2.0“ vor, der sich für komplexere Frauenfiguren in Film und Fernsehen einsetzt. Man wolle veraltete Rollenbilder aufbrechen und positive weibliche Rollenbilder in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik schaffen, so Vana, die auch erwähnte, dass gemischte Teams in der Wirtschaft erfolgreicher seien.
Am anschließenden Panel zu „Heldinnen in Serie“ nahmen Konstanze Breitebner (Autorin), Thomas Brezina (Autor, Moderator), Miriam Hie (Schauspielerin, Moderatorin), Cornelia Travnicek (Autorin) und Sylvia Vana teil, die Moderation oblag Julia Pühringer (Journalistin). Die Runde fand zum Konsens, dass es vielfältige Frauenfiguren in Film und Fernsehen brauche. Zudem müssten Frauen auch verstärkt hinter der Kamera tätig sein. Es gehe um gegenseitigen Respekt – man müsse eine Selbstverständlichkeit erreichen, so Brezina. Albrecht-Stadler betonte, dass man in Sachen Kommunikation auch auf Social-Media-Kanäle achten müsse, da Jugendliche kaum noch lineares Fernsehen konsumieren würden. Dies wurde von der Runde akklamiert.
Rollenbilder 2 – Made in Austria
Das nächste Panel stellte sich der Frage „Was ist Österreichischer Film?“. Moderatorin Katharina Müller (Leiterin Forschung Österreichisches Filmmuseum) betonte in ihrer Einleitung, dass es ein gesellschaftliches Risiko sei, Minderheiten nicht medial zu repräsentieren. Die Runde bestand aus Houchang Allahyari (Regisseur), Sebastian Höglinger & Peter Schernhuber (Leiter Diagonale), Arash T. Riahi (Regisseur, Produzent), Isabelle Welter (Produzentin, Inclusion Rider bei Film Fatal) und Weina Zhao (Regisseurin). Höglinger wies darauf hin, dass gesellschaftliche Änderungen komplex seien und man bei der Festivalprogrammierung der Diagonale auf Positionierung und Diskurs achte. Kontraproduktiv sei es aber, einen Eröffnungsfilm nur deshalb zu programmieren, weil er von einer Frau sei. Allahyari wünschte sich mehr Frauen im Regiefach und betonte, dass eine zu große Kategorisierung und ausufernde Kontrollmechanismen durchaus eine Gefahr für künstlerische Freiheit darstellen können.
Weina Zhao merkte an, dass migrantische Filmschaffende stark mit dem Thema Angst konfrontiert seien. Welter sah die Zukunft insgesamt positiv, da gerade eine Generation heranwachse, die internationaler sei und kein Schubladendenken mehr kenne. Alle waren sich einig, dass Chancengleichheit nur durch Bildung zu erreichen sei. Riahi hofft, dass es in Zukunft keine Diversitätsrichtlinien mehr brauche, sondern dass Anti-Rassismus und Geschlechtergleichheit zur Selbstverständlichkeit werden. Seine Aufforderung ans Bildungssystem lautet: „Ich glaube, man muss Empathie unterrichten.“
Antonia Prochaska (Projektleiterin Akademie des Österreichischen Films) sprach über Diversität und das Netzwerk Europäischer Filmakademien (FAN of Europe). Danach folgte per Video ein Bericht über die neue europäische Initiative ARTEF – Anti-Racism Taskforce for European Film. Hier haben sich zahlreiche europäische Filminstitutionen zusammengeschlossen, um über Maßnahmen und Methoden gegen strukturellen Rassismus im Filmschaffen nachzudenken und diese zu entwickeln.
Alexandra Valent (Projektleitung Österreichischer Filmpreis) stellte den Diversitätsbericht „11 Jahre Österreichischer Filmpreis“ vor und wies darauf hin, dass sich das Verhältnis von Frauen und Männern, was den Anteil an den Preisträgerfilmen betrifft, über die Jahre bereits stark verbessert habe. So habe es in der Kategorie Beste Kamera mit Christine A. Maier heuer erstmals eine weibliche Preisträgerin gegeben. Im Videointerview sprach Katharina Albrecht-Stadler mit Arman T. Riahi (Regisseur): Das migrantische Kino habe ebenso wie Filme von Frauen zu mehr Vielfalt und Spannung im hiesigen Kino beigetragen, so Riahi. Man müsse auch stärker in der Wahrnehmung des Publikums ankommen und diesem die Vielfalt des hiesigen Filmschaffens zeigen. Albrecht-Stadler schloss das Panel mit der Versicherung, dass die Akademie sich dafür einsetzen werde, dass entsprechende Filme auch an Schulen gezeigt werden.
Rollenbilder 3 – Filmfamilien
Der dritte Themenblock war mit „Filmfamilien“ übertitelt. Katharina Aufhauser (L&R Sozialforschung), Dani Purer (Producerin) und Claudia Wohlgenannt (Produzentin, Film Fatal) präsentierten erste Zwischenergebnisse aus der Studie zu Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bei Film- & Musikschaffenden. Die ersten Ergebnisse deuteten dabei auf ein überdurchschnittliches Vorkommen von Konflikten hin, die sich aus der Reibung von Filmberuf und Privatleben speisen. Das größte Problem ist die schlechte Planbarkeit von Arbeitszeiten im Filmschaffen sowie die hohe Flexibilität, die erwartet wird. Ebenso schwierig sind die langen Abwesenheiten während der Filmdrehs. Iris Zappe-Heller vom ÖFI betonte, dass man sich dieser Konflikte bewusst sei und versuche, hier an Lösungsansätzen zu arbeiten.
Die Filmfamilie Julia Oberndorfinger (Szenenbildnerin) & Hannes Salat (Szenenbildner) sprach im Videointerview über die Vereinbarkeit von Filmarbeit und familiären Verpflichtungen. Oberndorfinger vertrat die Meinung, dass dieses Thema noch stärker thematisiert werden müsse; besonders am Anfang, mit kleinen Kindern, sei eine Ausgewogenheit zwischen Job und Familie nur mit besonders viel Energie zu erreichen. Auch Salats Preisträgerrede beim diesjährigen Filmpreis wurde eingeblendet: „Wenn man in dem Job Kinder hat, ist das schwierig – wir arbeiten 60 Stunden in der Woche.“ Deshalb würden viele Leute auch das tolle Gefühl verpassen, Kinder zu haben, so Salat. Man müsse gemeinsam ständig neue Strukturen schaffen.
Das abschließende Panel bestand aus Dominik Hartl (Regisseur, Bester Kurzfilm Österreichischer Filmpreis 2021), Michael Kreihsl (Regisseur), Eva Spreitzhofer (Autorin, Regisseurin) und Claudia Wohlgenannt (Produzentin), es moderierte Julia Pühringer. Kreihsl und Hartl strichen die finanziellen und terminlichen Schwierigkeiten in Sachen Kinderbetreuung hervor; Wohlgenannt vertrat die Meinung, dass man die neue Generation verlieren werde, wenn es keine grundlegenden Veränderungen in Sachen Vereinbarkeit gebe. Spreitzhofer meinte, dass es kein Naturgesetz sei, dass man in der Filmbranche 60 Stunden pro Woche arbeite und nichts planen könne. Aus der Community, den Verbänden und den Institutionen selbst müsse größerer Druck kommen.
Die Akademie dankt dem Land Niederösterreich und der FISA für die wertvolle Unterstützung, sowie dem METRO Kinokulturhaus.