Interview mit Werner Boote
„Wir müssen gemeinsam den Druck erhöhen“
Werner Boote, Filmemacher und Mitglied der Akademie des Österreichischen Films, erzählt im Gespräch mit Oliver Stangl, was Green Filming bedeutet, warum es notwendig ist, Verhaltensmuster zu ändern und wie sich sein persönlicher Lebensstil durch sein Umweltengagement verändert hat.
Wie halten Sie als Filmemacher es persönlich mit Green Filming?
Die Drehorte meiner Dokumentarfilme sind auf der ganzen Welt verstreut. Durch die vielen Flugreisen ist mein ökologischer Fußabdruck – obwohl ich im Privaten nahezu vorbildlich agiere – eine große Katastrophe. Anstatt zu Filmfestivals zu reisen, versuche ich nun vermehrt, Filmgespräche via Videokonferenz-Anbieter abzuhalten. Darüber sind Festivals nicht erfreut. Bei den Dreharbeiten selbst eilt mir oft mein Ruf voraus, und die Kollegenschaft tragen schon vorab für nachhaltige Lösungen am Set Sorge. Man glaubt gar nicht, wie viel Verbesserungspotenzial in unserer Branche schlummert!
Sie haben sich in THE GREEN LIE mit dem Thema Greenwashing auseinandergesetzt. Was bedeutet das und gibt es das in der Filmbranche bereits?
Man spricht von Greenwashing, wenn eine Firma ihr Image oder ihre Produkte bewusst als umweltschonender und fairer darstellt als sie sind. Oft wird mit einem riesigen Werbeetat ein kleines, nachhaltiges Sortiment beworben, obwohl diese Produkte weit unter 1% des Gesamtumsatzes ausmachen. Greenwashing macht vor keiner Branche halt. Wenn sich ein Filmfestival mit Nachhaltigkeit brüstet und gleichzeitig die Gäste in protzigen Limousinen herumkutschiert, spricht man von Greenwashing. Absurd ist das vor allem dann, wenn der Schlitten vor dem Hotel wartet, obwohl der Veranstaltungsort in Fußnähe ist. Trotzdem gibt es aber immer mehr Initiativen, die Verbesserung bringen.
Welche Initiativen gibt es?
Initiativen gibt es unzählige. Man braucht nur sein Hirn einschalten und schon kommt man selbst auf eine Idee, die etwas umweltschonender gestalten würde. Es gibt aber nicht diese eine Lösung, an der wir uns alle orientieren können. Die Verbesserungsmöglichkeiten sind so vielfältig wie Filmdrehs unterschiedlich sind. Viele Initiativen brauchen Mut und Durchsetzungsvermögen und scheitern noch, weil sich Verantwortliche zu wenig Mühe geben, die umwelt- und gesundheitsschädigenden Verhaltensmuster aus der Vergangenheit zu überdenken. Dabei wären Erneuerungen oft kostengünstiger und steigern die Motivation des Teams. Wenn internationale Filmproduktionen zum Beispiel in Ouarzazate drehen, werden dort LKW-Ladungen mit Plastikflaschen angeliefert, die in der marokkanischen Wüste verstreut zurückbleiben. Immer mehr Filmschaffende nehmen jetzt Trinkflaschen und Thermoskannen zum Dreh. Vor allem in Österreich sollte das längst die Regel sein. Wir haben bestes Leitungswasser.
Reichen Einzelinitiativen oder braucht es größere Veränderungen in Zusammenarbeit mit der weltweiten Politik?
Es braucht ganz dringend große Veränderungen. Wenn immer mehr Menschen die zerstörerischen Mechanismen der Konzerne und des Privatkapitalismus verstehen, wird es uns auch vielleicht einmal gelingen, dass wir eine neue Wirtschaftsordnung durchsetzen. Menschen, die im 16. Jahrhundert parlamentarische Demokratie forderten, wurden noch als Träumer abgetan. Mittlerweile wird dieses Regierungssystem vielerorts geübt. Heute dürfen und müssen wir von einem demokratischen Weltwirtschaftssystem träumen, wenn wir das schützen möchten, was wir am meisten brauchen: das Recht der Menschen und die Rechte der Natur.
Was können Filmschaffende tatsächlich zum Umweltschutz beitragen?
Als Filmschaffende tragen wir eine Mitverantwortung für das, was gesellschaftlich als normal wahrgenommen wird. Das betrifft insbesondere die Frage, wie die Menschen miteinander und mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen umgehen – sowohl im direkten Umfeld als auch global. Jeder Bürger und jede Bürgerin hat einerseits die Pflicht, sich umweltschonend und fair zu verhalten, und andererseits das Recht, gesetzliche Veränderungen zu fordern, die Verbesserungen bringen. Wir müssen gemeinsam den Druck auf die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger erhöhen, damit diese in den wirklich dringenden Angelegenheiten wie Umweltschutz und Menschenrechte zum Handeln bewegt werden. Unsere Möglichkeiten als Filmschaffende liegen natürlich vornehmlich im künstlerischen Ausdruck, aber auch in der gewissen Vorbildwirkung und in der Herstellung von Öffentlichkeit.
Wie lässt sich beim Dreh mehr Bewusstsein schaffen?
Wenn ein Filmprojekt gleich mal vorneweg als „GREEN“ bezeichnet wird und dabei auch deutlich hervorgeht, dass man es wirklich ernst damit meint, inspiriert das in weiterer Folge alle Teammitglieder und das positive Ansinnen bewahrheitet sich rasch in vielen Bereichen.
Wie hat sich ihr persönlicher Lebensstil durch ihr Engagement in Sachen Umweltschutz verändert?
Zu Beginn war ich an der Verbesserung meines eigenen Lebensstils interessiert. Ich stellte fest, dass Konzerne die Natur – unsere Lebensgrundlage – und unsere eigene Gesundheit auf dramatische Weise gefährden. Also begann ich damit, andere mit meinen Filmen auf diese Problematik aufmerksam zu machen und mein Wissen, das ich durch die Arbeit an den Dokumentarfilmen sammelte, weiterzugeben. Erst später wurde mir klar, dass die individuelle Veränderung der Lebens- und Kaufgewohnheiten zwar wichtig ist, aber nur bis zu einem gewissen Grad eine Verbesserung hervorruft. Viele dringend notwendigen Berichtigungen in Sachen Umweltschutz und Menschenrechte sind nur durch mutige Politik und Anpassung der Gesetze durchführbar. Seitdem engagierte ich mich öffentlich.
Wie kann man den Menschen die Angst vor Einschnitten in ihrer Lebensweise nehmen?
Indem man zeigt, dass die eigene Lebensqualität steigt und wie einfach und schön das ist.